Kilid Installation

Kilid, Final inspection
by Mari Brellochs

"Security advice: Please watch out for abandoned objects and luggage in trains and at platforms. Use the SOS Telephone to inform us." This line accompanies the current programme of the “Berliner Fenster” [Berlin window], the public transportation TV of the capital’s subways, since the bomb attacks in London have happened. It is the subtitle of commercials, stupid celebrity news and recommendations for mostly third-class events and cooking recipes. The „Berliner Fenster“: involuntary medium of a cynic realism between murder, threat, kitsch, war, security advices, infotainment and advertisement. The safety measures remind us of opening an umbrella after everybody has gotten wet already. Who is shooting or bombing, when, and why? How is ideology legitimated? How does one decline fundamentalism? What is the rationale for national security?

At the former physic border of the allied forces of the cold war, the former inter-German dividing line of two socially organised ideologies, and one of the last watchtowers of the former GDR in Berlin, is where the work „kilid“ of the artist Shahram Entekhabi, born in Iran, is shining. A six meter-long key (kilid, key in English), made of aluminium and equipped with 400 light bulbs, colored in the colors of the Iranian flag with the image of the tulip of Allah, is shining over the former border area and marks the current ideological border, a border that is embattled in a hot and severe war.

Once the one enmity is overcome, the next one is immediately emerging. The ideology of Islamic fundamentalism confronts the ideology of a hysteric, industrialized Christianity and the societies derived from it. Entekhabi’s „kilid“ is also to be understood as a symbol and a reference to the small plastic keys, handed to children soldiers in the Iraqi/Iranian war. They were handed to them as the key to the otherworldly paradise to equip them also in a ideological way for martyrdom, before the children were used as human mine detectors. The bombs tear up bodies, souls seek refuge in paradise. At the watchtower, visitors will find countless used original keys, which do not lock or open any lock anymore. Every visitor may choose one and take it home.

Entekhabi’s work, reminding of neon advertisement signs, the aesthetics of fairs and village festivals, casts a new light on the watchtower, the remains and current symbol of a past, formerly proud, industrialized security system. What is more cruel: the development of weapons that can – like in a computer game - finally be navigated unmanned by the generation of Playstation-Maniacs, suggesting a clean war, or the seduction of children, youngsters, and adults to volunteer as victims and weapons? The entry to Allah’s heart is paid as reward.

The industrial and digital weapon technology serve the game of the weapon industry in its battle for markets, where functionality is checked in the reality-test of current crisis and war regions. The fanatic religiousness serves the mullahs to secure their power interests. Who is shooting and bombing, when, and why? How is ideology legitimated? By installing Shahram Entekhabi’s work on the watchtower, new fields of interpretation and reference for his work as well as for the tower as historic remains will emerge.

Mari Brellochs, autor und kunstkritiker, Berlin 

Kilid, LETZTE ÜBERPRÜFUNG
Mari Brellochs

"Sicherheitshinweis: Bitte achten Sie auf verlassene Gegenstände und Gepäck in den Zügen und auf den Bahnsteigen. Informieren Sie uns über die Notrufsäule." Das ist seit den Attentaten in London der neue mitlaufende Untertitel im Programm des "Berliner Fensters" in den U-Bahnen der Hauptstadt. Er ist der Untertitel unter Werbung, verblödenden Celebrity-Nachrichten und meist drittklassigen Veranstaltungshinweisen und Kochtipps. Das Berliner-Fenster: unbewusstes Medium eines zynischen Realismus' zwischen Mord, Bedrohung, Kitsch, Krieg, Sicherheitshinweisen, Infotainment und Reklame.

Die Sicherheitsmaßnahmen sind wie das Schirmaufspannen nach dem Regen, wenn schon alle nass sind. Wann schießt und bombt wer und warum? Wie wird Ideologie legitimiert? Wie wird Fundamentalismus dekliniert? Wie wird nationale Sicherheit begründet?

An der ehemaligen physischen Grenze der Blockmächte des Kalten Krieges, an der ehemaligen innerdeutschen Trennlinie zweier gesellschaftlich organisierter Ideologien, auf einem der letzten Grenzwachtürme der ehemaligen DDR in Berlin leuchtet und glänzt die Arbeit "kilid" des im Iran geborenen Künstlers Shahram Entekhabi. Ein sechs Meter langer Aluminium-Schlüssel (kilid, zu Deutsch Schlüssel) mit über 400 Glühbirnen bestückt, eingefärbt in den Farben der iranischen Flagge mit dem eingearbeiteten Motiv der Tulpe Allahs, überleuchtet den ehemaligen Grenzstreifen und markiert damit eine aktuelle ideologische Grenze, eine Grenze, die in einem heißen und akuten Krieg umkämpft wird.

Hat man die eine Feindschaft scheinbar überwunden, findet sich sogleich eine neue. Die Ideologie des islamischen Fundamentalismus steht gegen die Ideologie eines hysterischen, industrialisierten Christentums und der aus ihm abgeleiteten Gesellschaftssysteme.

Entekhabis "kilid" ist auch als Symbol und als Referenz auf die kleinen Plastikschlüssel zu verstehen, die bei der Rekrutierung von Kindersoldaten im Iran/Irakischen Krieg den Kindern als Schlüssel zum jenseitigen Paradies ausgehändigt wurden, bevor sie, damit ideologisch für den Märtyrertod ausgerüstet, als Minenfutter zur Klärung der Minenfelder eingesetzt wurden. Die Bomben zerfetzen die Leiber, die Seelen flüchten sich ins Paradies. Im Wachturm findet der Besucher unzählige gebrauchte metallene Original-Schlüssel, die keine Schlösser mehr schließen oder öffnen. Der Besucher darf sich einen aussuchen und mit nach Hause nehmen.

Entekhabis Arbeit, die auch an Leuchtreklame, Jahrmarktsästhetik und Dorffeste erinnert, konterkariert den Betonturm, der als Überrest eines vergangenen, ehemals stolzen, industrialisierten Sicherheitssystems nun zu dessen Symbol und Referenz wurde.

Was ist grausamer: Die Entwicklung von Waffen, die schließlich wie in einem Computerspiel von der Generation der Playstation-Fanatiker unbemannt gegen den Feind gelenkt werden können und den sauberen Krieg suggerieren und deren Technik auch in Grenzbefestigungs- und Sicherheitssystemen Verwendung finden wird oder die Verführung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen der eigenen Bevölkerung und Nation, die sich zum Opfer machen lassen und sich selbst als Waffe zur Verfügung stellen? Als Lohn wird mit dem Einzug in Allahs Herz bezahlt.

Die industrielle und digitale Waffentechnik dient dem Spiel der Waffenindustrie im Kampf um ihre Absatzmärkte, im Realtest in aktuellen Krisen- und Kriegsregionen auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft. Die fanatische Religiosität dient den Mullahs zur Absicherung ihrer Machtinteressen.

Wann schießt und bombt wer und warum? Wie wird Ideologie legitimiert? Indem Shahram Entekhabi seine Arbeit "kilid" auf den Wachturm montiert, werden in dieser gegenseitigen Konfrontation neue Bezugs- und Interpretationsfelder sowohl für seine Arbeit als auch für den Turm als historische Überreste entstehen.

Mari Brellochs, autor und kunstkritiker, Berlin